Tausende Indische Blumenrohre

Im Sommer schmücken unzählige blühende Pflanzen die Beete in den Anlagen der Österreichischen Bundesgärten. Viele dieser Pflanzen sind in Europa nicht heimisch und benötigen besondere Kulturbedingungen, dazu gehört auch das Indische Blumenrohr.

Der Augarten ist einer der ältesten Gärten in Wien. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts ließ Kaiser Matthias hier ein Jagdschloss errichten. In den folgenden Jahrhunderten wurden die Gebäude erweitert und die umliegenden Flächen gärtnerisch gestaltet. 1775 ließ dann Kaiser Joseph II. den Garten für die Bevölkerung öffnen. Bereits zu dieser Zeit wurde der Augarten auch als Reservegarten genutzt. In abgetrennten Bereichen wurde Gemüse angebaut, in Treibhäusern und einem umfangreichen Reisergarten Obst kultiviert, aber auch Zierpflanzen und Schnittblumen für die Kaiserappartements in der Hofburg angezogen. Bis heute existiert ein Teil dieser Reservegärten, in denen sich die Abteilung Stauden und Gehölze des Institutes Botanische Sammlungen der Österreichischen Bundesgärten befindet. In den Glashäusern werden die mehrjährig kultivierten Sommerblumen für die Blumenbeete der Wiener Anlagen der Österreichischen Bundesgärten herangezogen. Ein Schwerpunkt liegt auf einer ganz speziellen Pflanze: das Indische Blumenrohr, botanisch Canna indica.

 

Dieses Gewächs stammt jedoch nicht wie man von seinem Namen schließen könnte aus Indien, sondern von den Westindischen Inseln, das heißt aus der Karibik. Auch im restlichen Mittel- und Südamerika ist die Pflanze verbreitet. Als Vertreterin aus der Ordnung der Zingiberales (Ingwerartige) ist sie weitläufig mit der Banane verwandt. Nach der Entdeckung Amerikas im Jahr 1492 kam diese Pflanze bald nach Europa und wurde in allen wärmeren Gegenden der Welt verbreitet. Der Grund der schnellen Verbreitung dieser Art ist, dass ihr Samen für die Herstellung von Rosenkränzen verwendet wurde, aber auch für viele andere Zwecke. Sogar als Munition für Schrotgewehre wurde der extrem harte Samen benutzt. Der Samen ist nachweislich sogar nach 600 Jahren noch keimfähig.

Carolus Clusius, Botaniker am Hof Kaiser Maximilian II., entdeckte schon 1573 bei seiner Reise in Spanien verwilderte Bestände. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts ist die nicht frostfeste Canna indica dann auch nördlich der Alpen als Kübelpflanze in den Gärten von Fürsten und wohlhabenden Bürgern nachweisbar. Im Garten des Prinzen Eugen am Wiener Rennweg, dem heutigen Belvederegarten, schmückten Anfang des 18. Jahrhunderts Canna indica in Pflanzgefäßen den Garten, den Winter verbrachten die Pflanzen im Glashaus. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden durch Kreuzung viele neue großblumige Hybriden. Ende des 19. Jahrhunderts hatten die imposanten Canna indica und vor allem deren Hybriden dann als Gruppenpflanzung ihren großen Auftritt in den so genannten Teppichbeeten. Heute sind bereits mehr als 1.000 offiziell registrierte Sorten bekannt.

Das nicht frostfeste Blumenrohr muss im Herbst aus den Beeten ausgegraben werden. Die Pflanzenrhizome werden in den Österreichischen Bundesgärten dann zum Überwintern in den Reservegarten des Augartens gebracht. Hier werden die krautigen Stängel, die je nach Sorte 60 Zentimeter bis zu drei Meter lang werden können, etwa 30 bis 40 Zentimeter über dem Rhizom zurückgeschnitten. Anschließend werden die grob gesäuberten Rhizome im Glashaus zum Einziehen aufgelegt. Ab Jänner werden diese geschnitten, geteilt, gereinigt, in zu 2/3 mit Erde gefüllte Töpfe gelegt und mit Erde bedeckt. Bis etwa Mitte Mai werden sie so vorgetrieben. Rund um die Eisheiligen werden die getriebenen Pflanzen von den Kolleginnen und Kollegen in den Parks der Österreichischen Bundesgärten ausgesetzt.

Derzeit werden fünf Sorten mit verschiedenen Wuchseigenschaften sowie Blatt- und den Blütenfarben für die Parks vermehrt. Von diesen werden knapp 10.000 Töpfe ausgeliefert, in denen etwa zwei bis drei Rhizome wachsen; es werden also 20.000 bis 30.000 Rhizome im Jahr geschnitten. Je nach Sorte blühen die exotischen Gewächse in Gelb, Rot und Orange den ganzen Sommer bis weit in den Herbst in den Parkanlagen der Österreichischen Bundesgärten.

Die Canna-Sammlung im Augarten ist jedoch wesentlich umfangreicher. Etwa 250 verschiedene Arten und Sorten, die nicht nur in der Blütenfarbe variieren, sondern auch verschiedene Blattfarben und Formen entwickelt haben, werden im Augarten kultiviert.

Das Indische Blumenrohr braucht viel Dünger, Wasser und Wärme und entwickelt sich so rasch zu großen Horsten, die im Beet dann schnell zusammenwachsen und bis zum Abräumen dauerhaft blühen. In Peru und Ecuador werden die gekochten Rhizome auch gegessen. Sie sollen wie Süßkartoffeln schmecken. Bei uns erfreut man sich ihres exotischen Flairs, der einen Hauch Lateinamerika in unsere Parks bringt.

Gerhard Schaffer