In luftiger Höhe - historische Technik für den Schnitt der Heckenwände

Beim Spazierengehen im Schlosspark Schönbrunn oder im Augarten fallen in den Alleen bisweilen riesige fahrbare hölzerne Gerüste auf. Von Juni bis Dezember kann man sie im Einsatz sehen. Sie dienen zum Schnitt der Heckenwände und Alleen.

Für das Schneiden der Heckenwände und Alleen in barocken Gärten wurden bereits im 18. Jahrhundert fahrbare Gerüste entwickelt. Die Hofgärtner konnten so sicher und gleichmäßig die oft vielen Kilometer langen Heckenwände schneiden. Um eine einheitliche Flucht zu erhalten, wurden Schnüre gespannt. Rundungen wurden mit Schablonen geschnitten.

Im Schlosspark Schönbrunn und im Augarten werden bis heute derartige Gerüste eingesetzt. Im Schlosspark Schönbrunn erfolgt jedes Jahr der Schnitt von über 60 Kilometer Heckenwänden, Alleen und Bauchspalieren, im Augarten sind es etwa 30 Kilometer. Die Schneidgerüste sind aus Holz gefertigt und wurden im Laufe der Jahrhunderte immer wieder repariert, ergänzt, modernisiert oder nach den historischen Vorbildern komplett neu gebaut.

Gärtnerinnen und Gärtnern bedienten sich schon immer eines dicht geknüpften Netzes von Kontakten quer durch die Gärten in Europa und in Übersee. Auf diesem Weg wurden Pflanzen, Wissen, Geräte und Handwerkstechniken ausgetauscht. In französischen Gärten wurden bereits im 18. Jahrhundert mehrstöckige Schneidgerüste verwendet. In der 1751 bis 1780 erschienenen Encyclopédie von Denis Diderot und Jean Le Rond d’Alembert ist auf einer Seite mit verschiedenen Geräten zur Arbeit im Garten auch ein mehrstöckiges, fahrbares Schneidgerüst abgebildet. Auf mehreren Etagen konnte gleichzeitig gearbeitet werden.

In den Wiener Gärten hatten die neu gepflanzten Alleen im 18. Jahrhundert noch lange nicht ihre endgültige Höhe erreicht, so dass zunächst einstöckige Schneidgerüste ausreichend waren. Derartige Gerüste sind im Schwarzenberggarten am Rennweg und im Augarten in Stichen aus den 1730er Jahren von Salomon Kleiner dokumentiert. Diese Gerüste wurden in der Regel genau angepasst an die Bedürfnisse für den jeweiligen Garten gefertigt.

Auch in Schönbrunn müssen bereits im 18. Jahrhundert Schneidgerüste vorhanden gewesen sein, um die kilometerlangen Alleen zu schneiden. Mit den höher wachsenden Hecken und Alleen waren auch die einstöckigen Schneidgerüste bald nicht mehr ausreichend. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten die Heckenwände in Schönbrunn bereits eine Höhe von weit über zehn Metern erreicht. 1879 wurde ein neues, mittlerweile fünfstöckiges, fast 13 Meter hohes Gerüst für Schönbrunn gebaut. Im Planarchiv der Österreichischen Bundesgärten ist eine Entwurfszeichnung erhalten: Die fünf Etagen sind als Fachwerkgerüst auf eine rechteckige Basis aufgestellt. Durch flache Leitern sind die Etagen miteinander verbunden. Um das Schneidgerüst auf den kiesbestreuten Wegen transportieren zu können, ist es mit breiten eisernen Rädern versehen. Die kleinen vorderen Räder sind lenkbar, die größeren hinteren Räder werden händisch mithilfe einer Kurbel angetrieben.

Vermutlich wurde das Schneidgerüst nicht in dieser Form gebaut. Die Standsicherheit wäre aufgrund der sehr geringen Tiefe von nur 4,5 Metern gefährdet gewesen.

Auf Fotos aus den 1920er und 1930er Jahren ist die tatsächliche Ausführung ersichtlich. Das fünfstöckige Schneidgerüst weist eine wesentlich größere Tiefe auf und die diagonale Verstrebung hat einen deutlich kleineren Winkel zur Basis. Anstelle fünf kurzer Leitern von Etage zu Etage verbindet nun eine lange, steile Leiter die einzelnen Etagen. Statt mit einer Kurbel von Hand betrieben, wurde das Schneidgerüst von Pferden gezogen. Die in der Zeichnung geplanten breiten eisernen Räder wurden jedoch ausgeführt.

Da die Schneidgerüste im Park permanent Witterungseinflüssen ausgesetzt sind, wurden immer wieder Reparaturen an der Holzkonstruktion durchgeführt. Ebenso wurden grundsätzliche Adaptierungen vorgenommen, wie der Umbau der Deichsel auf Traktorbetrieb. Vermutlich wurden dabei die eisernen Räder durch vollgummibereifte ersetzt.

Nachdem das fünfstöckige Schneidgerüst im Frühjahr 1993 durch einen Brand zerstört wurde, waren sich die Verantwortlichen in den Österreichischen Bundesgärten und dem Bundesdenkmalamt rasch einig, dass diese historische Technik weitergeführt werden sollte. Auf der Basis des Planes von 1879 und aktueller Fotografien wurde am Institut für Tragwerkslehre und Ingenieurholzbau der Technischen Universität Wien ein neues Schneidgerüst entwickelt. Durch einen heimischen Zimmermann erfolgte die Ausführung. Die einzelnen Teile der Fachwerkkonstruktion wurden in der Werkstatt hergestellt, der Zusammenbau erfolgte im Park Schönbrunn.

Um den Rollwiderstand der Räder auf den Kieswegen zu verringern, ist das Schneidgerüst mit Vollgummirädern ausgestattet; auf der Außenseite sind vier angebracht, auf der Spalierseite fünf, da hier aufgrund von Konstruktion und Nutzlast die Belastung der Räder deutlich höher ist. Um das Schneidgerüst trotz der Bombierung der Wege lotrecht aufstellen zu können, ist die Spalierseite des Fachwerkgerüstes an der Basis mit Scharnieren befestigt. Durch Winden lässt sich der Fachwerkkörper anheben oder absenken, um einen lotrechten Schnitt der Heckenwand zu ermöglichen. Im Herbst 1993 war das neue Schneidgerüst bereits im Einsatz.

Im Schlosspark Schönbrunn sind heute ein fünfstöckiges, ein hohes und drei niedrige zweistöckige Spaliergerüste sowie zwei für den Schnitt der Halbbögen der gedeckten Alleen vorhanden. Im Augarten werden ein vierstöckiges Spaliergerüst sowie ein zweistöckiges für den Bogenschnitt verwendet.

In der zweiten Jahreshälfte können Parkbesucherinnen und Besucher den Einsatz der Spaliergerüste während des Heckenschnittes fast täglich miterleben.

Claudia Gröschel