Erikenvielfalt in Wien

Eriken sind uns vor allem zu Allerheiligen und Allerseelen als typische Grabbepflanzung bekannt. Auch als herbstliche Dekoration von Balkonkästen sind sie beliebt. Viele von uns wissen auch noch, dass die Pflanzen ursprünglich aus Südafrika stammen. Welch große Anzahl unterschiedlicher Arten mit interessanten Blüten zur Gattung Erica gehört, wissen jedoch die Wenigsten.

Dass die im Herbst in den Gärtnereien angebotene Erica gracilis, wie sie korrekt heißt, in keiner Weise winterhart ist, denn sie stirbt schon bei den ersten Minusgraden völlig ab, ist den meisten Hobbygärtnerinnen und Gärtnern nicht bewusst. Freundlicherweise bleiben die Pflanzen trotzdem eine Zeit lang grün und auch die Blüten verlieren ihre Farbe erst später, sodass man dem Grabschmuck auf den ersten Blick nicht anmerkt, dass er eigentlich schon tot ist. Weicht man dann auf die einheimische Besenheide (Calluna) aus, landet man schnell bei den sogenannten Knospenblühern, deren Blüten sich nicht mehr öffnen, daher auch nicht bestäubt werden können und länger halten. Da dürfen dann auch noch die Insekten verhungern.

Und wenn man dann schon glaubt, dass sei nicht mehr zu toppen, dann sieht man „lackierte“ Eriken, die mit blauer oder gelber Farbe oder gleich mit künstlichem Schnee besprüht werden. Als Gärtner fragt man sich, wozu man dafür eigentlich noch eine lebende Pflanze als Basis braucht. Eine wiederverwertbare Plastikpflanze wäre da wesentlich ehrlicher. Es gibt aber neben Erica gracilis noch so viele andere, zum Teil wunderschön blühende Arten und Sorten, dass es wert ist, darauf auch einmal einen Blick zu werfen, um sie ein wenig bekannter zu machen.

Eriken am Naturstandort und in Botanischen Sammlungen

Eriken sind zu rund 90 % in Südafrika beheimatet, einige Arten kommen aber auch in Europa, Madagaskar und dem Mittleren Osten vor. Insgesamt sprechen wir derzeit von etwa 860 verschiedenen Arten, von denen circa 690 endemisch in Südafrika wachsen. Sie stellen dort von der Artenzahl den größten Teil der sogenannten Fynbos-Vegetation dar. Von all diesen Arten schaffte es aber nur eine bei uns wirklich kommerziell erfolgreich verwendet zu werden, nämlich Erica gracilis, die in spezialisierten Betrieben in millionenfacher Zahl produziert wird.

Während man sich bei manchen Arten wie gracilis, vagans, tetralix und ähnlichen keine Sorgen über deren Überleben in freier Wildbahn machen braucht, sind andere Arten aufgrund ihrer sehr kleinen Verbreitungsgebiete und manchmal hochgradigen Anpassung an bestimmte Lebensräume sehr stark gefährdet.

Es ist eine wichtige Aufgabe von Botanischen Sammlungen, solche Arten nicht nur zu erhalten, sondern wenn möglich für deren Wiederauswilderung und Ansiedlung in geeigneten Lebensräumen zu sorgen. Wichtig ist es, nicht nur einzelne Arten, sondern ganze zusammenhängende Systeme zu erhalten und zu schützen. Unsere heimischen Bienen und Hummeln können in den langen Blüten den Nektar nicht erreichen. Sie beißen die Blüten daher seitlich auf, gelangen so an den Nektar, befruchten die Blüten dabei aber nicht. So kommt es zu keiner Samenbildung und die Pflanzen können sich nicht mehr vermehren. Wenn diese Arten in Gebieten ohne passende Bestäuber ausgewildert werden, können sie dort oft nicht langfristig überleben. Auch in den Botanischen Sammlungen der Österreichischen Bundesgärten fehlen oft die natürlichen Bestäuber der Eriken. Daher erfolgt hier die Vermehrung vegetativ, das heißt über Stecklinge.

Beispiele der Artenvielfalt

Erica baccans, die mit laternenförmigen zarten Blüten in zwei Rosatönen auffällt, ist ursprünglich nur auf dem Tafelberg in Kapstadt beheimatet. Erica baccans ist eine kräftig und durchaus auch mal zwei Meter hochwachsende Pflanze. die reich blüht und viele gut keimende Samen ansetzt. Diese Pflanzen werden oft auch als „Nachsäer“ bezeichnet, da die ausgewachsenen Pflanzen am Naturstandort regelmäßig von Wildfeuer getötet werden, aber aus den reichlich produzierten Samen dann besonders gut keimen und die Areale sehr schnell wieder besiedeln.

Erica pageana ist eine der wenigen gelb blühenden Vertreterinnen der Heidepflanzen. Sie hat meist dicht aufrecht wachsende Triebe mit dunkelgrünen weichen Blättern und schmückt sich im Frühjahr mit dottergelben glockenförmigen Blüten in großer Zahl. Die gelbe Farbe erscheint für Erika sehr ungewöhnlich und ist daher doppelt reizvoll und interessant. Leider ist diese Pflanze eine doch recht heikle Diva, welche ihre anspruchsvollen Bedürfnisse sehr genau erfüllt haben will.

Von besonderer Schönheit sind auch jene Arten mit porzellanartig glänzenden Blüten, vor allem Erica shannonii mit ihren weiß bis rosa gefärbten, klebrigen flaschenförmigen Blüten. Auch sie ist sehr schwierig in Kultur zu halten, was vielleicht auch daran liegt, dass sie aus trockeneren, felsigen Gebieten stammt und in Kultur sehr leicht zu viel Feuchtigkeit abbekommt. Erica ventricosa ist da schon sehr viel leichter zu kultivieren und zeigt sehr ähnliche Blüten, die immer wieder dazu verführen, sie anzufassen, um die porzellanartig kühle Struktur zu erfühlen.

Erica dichrus und Erica croceovirens zählen zu den Arten mit langen röhrenförmigen und zweifärbigen Blüten. Die meist sehr ähnlich aussehenden Blüten haben eine rötliche bis rote Basis und eine sich ins Grüne verfärbende Spitze. Bei Arten wie Erica discolor var. discolor besitzen die Blüten dann oft nur mehr einen relativ schmalen grünen Ring auf einer überwiegend roten Blüte.

Eriken in den Botanischen Sammlungen im Belvederegarten

Wenn die Gattung Erica auch auf den ersten Blick vielleicht eher einheitlich und sogar etwas langweilig aussieht, so muss man bei genauerer Beschäftigung mit ihr doch zugeben, dass eine unerwartete Vielfalt und Schönheit in diesen Pflanzen steckt. Vielleicht wird so auch die Faszination für diese Gattung und das Bemühen, diese Pflanzen zu schützen, zu erhalten und auch wieder in ihrer ursprünglichen Heimat auszuwildern, verständlich. In die kaiserlichen Pflanzensammlungen kamen die ersten Eriken Ende des 18. Jahrhunderts, als die Hofgärtner Franz Boos und Georg Scholl in Südafrika im Auftrag des Kaisers seltene Pflanzen und Tiere sammelten. 1816 sind im Pflanzeninventar 22 Erikenarten verzeichnet, knapp 80 Jahre später war die Sammlung laut Inventar bereits auf weit über 500 Arten und Sorten angewachsen. Die große Zahl ist darauf zurückzuführen, dass oft mehrere Akzessionen (Neuzugänge) einer Art oder Sorte als unterschiedliche Arten und Sorten aufgeführt wurden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Anzahl um ein Vielfaches geringer war. Heute werden in den Glashäusern im Reservegarten des Belvederes über 2.700 Einzelexemplare in 137 Arten und Sorten kultiviert.

Aufgrund dieser umfangreichen Bestände konnten im Jahr 2000 die Österreichischen Bundesgärten schon bei den ersten Auswilderungsversuchen von Erica verticillata und Erica turgida durch den Botanischen Garten Kirstenbosch in Südafrika mit ihren Sammlungsbeständen wertvolle Unterstützung leisten. In den Botanischen Sammlungen des Belvederegartens fanden sich Pflanzen dieser beiden Arten, die hier über einen Zeitraum von etwa 200 Jahren erhalten worden waren und gemeinsam mit anderen überlebenden Individuen aus verschiedenen Botanischen Gärten die Basis für eine erfolgreiche Wiederauswilderung am Naturstandort boten. Sie sind auch in Organisationen wie dem Deutschen Bundessortenamt und dem Global Conservation Consortium Erica tätig, um die Bestände von Erica weltweit zu erhalten und zu fördern.

Michael Knaack