Ende des 18. Jahrhunderts kamen erstmals Chinesische Schirmpalmen (Livistona chinensis) nach Schönbrunn. Die beiden Schönbrunner Hofgärtner Franz Boos und Georg Scholl hatten im Auftrag des Kaisers eine mehrjährige Forschungsreise nach Südafrika und auf die Maskarenen unternommen. Für die Sammlungen des Kaisers sollten sie lebende Pflanzen und Tiere nach Wien bringen.
Das Kaiserhaus hatte Kontakt zum Königlich Botanischen Garten auf Mauritius. Hier wurden Pflanzen aus weiten Teilen Asiens, aus Afrika, aber auch aus Amerika kultiviert. Eine Aufgabe dieses Botanischen Gartens war es, die Pflanzen auf ihre Eignung für die Gärten Frankreichs zu prüfen, das so genannte Mutterland der damaligen französischen Kolonie.
Jean-Nicolas Céré, der Direktor des Königlich Botanischen Gartens auf Mauritius hatte Franz Boos eine große Menge an lebenden Pflanzen für die kaiserliche Sammlung in Wien mitgegeben, darunter befanden sich neben vielen tropischen Gewürz- und Obstgehölzen auch sechs Chinesische Schirmpalmen. Der Wiener Botaniker Joseph Nikolaus Jacquin hatte sie 1800 als Latania chinensis erstbeschrieben, basierend auf Cérés Bezeichnung Latanier indigènes (Latanier der Indigenen). Der Münchner Botaniker und Palmenspezialist Karl Friedrich Philipp von Martius gruppierte sie dann 1838 um in die Gattung Livistona.
Chinesische Schirmpalmen in Schönbrunn
Unter der Bezeichnung Latania chinensis wird diese Palme 1816 mit der Herkunftsangabe Mauritius in einem Verzeichnis der in Schönbrunn kultivierten Pflanzen aufgeführt. Sie wurde in einem der Glashäuser im damaligen Holländischen Garten in Schönbrunn kultiviert. In den folgenden Jahren wird die Palme in Beschreibungen der in den Glashäusern kultivierten Pflanzen immer wieder erwähnt. Wie viele der sechs aus Mauritius mitgebrachten Exemplare überlebt hatten, ist ungewiss.
Als 1838 das so genannte Alte Palmenhaus im zwischen Menagerie und Maxingstraße gelegenen ehemaligen Arboretum, dem heutigen Botanischen Garten Schönbrunn, errichtet wurde, übersiedelten die Hofgärtner die Palmengewächse. Sie waren nun in diesem Gebäude ausgepflanzt.
1880–1882 wurde schließlich das Große Palmenhaus im Schlosspark Schönbrunn errichtet. Ab dem Sommer 1882 wurden die Pflanzen aus den alten Glashäusern in diesen neuen Glaspalast übersiedelt.
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Chinesische Schirmpalmen im Großen Palmenhaus
Die Übersiedelung der Livistona chinensis in das neu errichtete Palmenhaus benötigte eine zweijährige Vorbereitungszeit. Der Wurzelballen wurde freigelegt und mit einem Kübel umgeben, in dem sich neue Wurzeln bilden konnten. Auf Walzen erfolgte dann der Transport in das Große Palmenhaus. Hier bekam die Livistona einen repräsentativen Platz im Mittelpavillon. Da man der Meinung war, dass sie sich bereits zur Zeit Maria-Theresias im Schlosspark Schönbrunn befand, wurde sie Maria-Theresien-Palme genannt.
Die ausführende Eisenkonstruktionsfirma Ignaz Gridl produzierte mehrere Farbdrucke des Großen Palmenhauses für ihren Firmenkatalog. Im Zentrum des Mittelpavillons ist äußerst prominent die schon sehr große Livistona chinensis zu erkennen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie ein geschätztes Alter von über 100 Jahren.
Die guten Wachstumsbedingungen im Großen Palmenhaus führten dazu, dass die Livistona nach etwa 30 Jahren die Gebäudekuppel erreicht hatte. Wie die meisten Palmen, konnte sie nicht zurückgeschnitten werden. Die Hofgärtner versuchten ihr Ende hinauszuzögern, in dem sie den Stamm umbogen.
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Im Sommer 1909 war es dann soweit. Die inzwischen 24 Meter hohe Livistona chinensis musste gemeinsam mit einer Livistona australis (Australische Schirmpalme) und einer Caryota mitis (Fischschwanzpalme) entfernt werden, da sie alle drohten, die Glas-Eisen-Konstruktion zu beschädigen. Es wurden kleinere Exemplare nachgepflanzt, die die Hofgärtner in den Glashäusern des Reservegartens kultiviert hatten. Die neu gesetzte Chinesische Schirmpalme wurde wieder in Erinnerung an die Gattin des Kaisers Franz I. Stephan Maria-Theresien-Palme genannt.
Die dritte und vierte Livistona chinensis
Im Februar 1945 zerstörten die Druckwellen abgeworfener Fliegerbomben die Verglasung des Großen Palmenhauses. Nur wenige Pflanzen konnten gerettet werden. Die Maria-Theresien-Palme war unter den zerstörten.
Nach dem Wiederaufbau des Großen Palmenhauses 1953 wurde wieder eine neue Livistona chinensis gepflanzt. Dieses Exemplar wurde von der Bevölkerung in Erinnerung an die Gattin Kaiser Franz Joseph I. Sisi-Palme genannt. 2008 hatte auch sie das Dach des Palmenhauses erreicht. Die Fällung im Februar 2008 wurde von den Medien detailliert dokumentiert.
Aus den eigenen Beständen wurde eine neue Livistona chinensis gepflanzt. In der „Ahnenfolge“ ist sie nun die vierte Generation im Großen Palmenhaus im Schlosspark Schönbrunn. Im Frühjahr 2025 bildete sie erstmals einen Blütenstand.
Claudia Gröschel