Ein Palast für exotische Pflanzen

Vor 141 Jahren wurde das Große Palmenhaus im Schlosspark Schönbrunn eröffnet. Heute ist es mit seinen 111 Metern Länge und einer Höhe des Mittelpavillons von 25 Metern eines der größten Palmenhäuser auf dem europäischen Kontinent.

Im Botanischen Garten im Schlosspark Schönbrunn wurden seit seiner Einrichtung im Jahr 1754 als so genannter Holländischer Garten immer wieder neue Pflanzenhäuser errichtet, die vorhandenen repariert oder umgebaut. Ende des 19. Jahrhunderts war es eine Ansammlung verschiedener Häuser, die zum Teil nicht mehr dem Stand der Technik entsprachen und baufällig waren. In vielen anderen europäischen Fürstenhäusern waren zwischenzeitlich moderne Glas-Eisenbauten für die Kultivierung und die Präsentation Botanischer Sammlungen errichtet worden. Auch im Schlosspark Schönbrunn bestand die Notwendigkeit für den Bau neuer zeitgemäßer Glashäuser für die umfangreiche Pflanzensammlung. Das Kaiserhaus wünschte ein Gebäude zur repräsentativen und modernen Präsentation der grünen Schätze. Erstmals sollten alle Pflanzen, die zuvor entsprechend ihrer Herkunft und Kultivierungsbedingungen auf mehrere Häuser verteilt waren, in einem Schauglashaus versammelt werden. Die verantwortlichen Hofgärtner waren dagegen besonders an der Verbesserung der Kulturbedingungen interessiert.

Die Planung

Nach Jahren der Vorbereitung wurden im Sommer 1878 Hofgarteninspektor Adolf Vetter und Hofsekretär im Hofbauamt Franz Segenschmid auf eine Reise durch Deutschland, Frankreich und England geschickt, bei der sie die neuen Glaspaläste in diesen Ländern in Augenschein nehmen sollten. Wichtige Ziele waren die Pariser Weltausstellung und Kew Gardens in London mit dem von 1844–1848 errichteten Palmenhaus. Im darauffolgenden Jahr waren in Wien die Planungen für den Bau des Palmenhauses rasch fortgeschritten. Direktes Vorbild war das Palmenhaus in Kew Gardens. Anders als in Kew wurden in Schönbrunn an die Seitenflügel quadratische Eckpavillons angesetzt, die die Formen des Mittelpavillons aufnehmen. Die gesamte Eisenkonstruktion lagert auf einem niedrigen, steinernen Parapet, von dem kreisbogenförmig gewölbt die Glaswände aufsteigen. Die Tragkonstruktion in Form von schmiedeeisernen Gitterfachwerkträgern ist außenliegend, die Glaswände sind in diese eingehängt. Im Inneren stützen gusseiserne Pfeiler die Konstruktion der umlaufenden Eisenträger. Die Verglasung mit schuppenförmig überlappenden Glastafeln war ursprünglich zweischalig. Das geplante Gebäude sollte eine Grundfläche von 3.500 Quadratmeter umfassen. Auf der Grundlage des Planentwurfes von Franz Segenschmid wurden ab Jänner 1880 nach und nach die Verträge mit den Handwerkern geschlossen.

Baufortschritt

Mit der Herstellung der eisernen Konstruktion wurde der auf Glashausbau spezialisierte Hofschlosser und Eisenconstructeur Ignaz Gridl beauftragt. Im Juli 1880 begann die Firma Gridl mit der Lieferung der eisernen Konstruktion für den Mittelpavillon. Die schmiedeeisernen Teile waren in der eigenen Schmiede gefertigt, die gusseisernen in der Firma R. Ph. Waagner.

Der Baufortschritt wurde von der Öffentlichkeit interessiert beobachtet. Noch vor der Fertigstellung berichtete bereits die Wiener Illustrirte Gartenzeitung über den Bau und publizierte eine Ansicht.

Südlich des Palmenhauses wurde das Heizhaus errichtet, in dem sich drei mit Kohle zu befeuernde Kessel befanden. Von hier verliefen unterirdisch die Stränge der Dampf-Wasserheizung in das Palmenhaus sowie in den naheliegenden Tiergarten und in die neue Reservegartenanlage im kleinen Fasangarten. Das Heizhaus wurde 20 Jahre später an die bis heute bestehende Stelle an der Maxingstraße unweit des Sonnenuhrhauses versetzt.

Das Palmenhaus ist bis heute in drei Klimazonen unterteilt. Der in unmittelbarer Nähe des Heizhauses gelegene südliche Eckpavillon beherbergt die Tropenabteilung, der Mittelpavillon die temperierte Abteilung und der nördliche Pavillon das Kalthaus.

Bepflanzung

Am 17. Juni 1882 besuchte Kaiser Franz Joseph das neue Gebäude, das zu diesem Zeitpunkt noch leer stand. Über dieses Ereignis, das später als feierliche Eröffnung bezeichnet wurde, berichteten viele Tageszeitungen.

Im Sommer 1882 erfolgte schließlich die Übersiedelung der Pflanzen aus den alten Glashäusern. Im Mittelpunkt des Kalthauses befand sich eine große Araucaria columnaris. Weitere Kalthausgewächse wie Baumfarne, Akazien, Proteen, Banksien, Kamelien und Azaleen sowie zahlreiche Zwiebelpflanzen wurden im Kalthaus im Winter bei 6–8 °C, im Sommer bei 20 °C und 70 % Luftfeuchtigkeit präsentiert. Im Zentrum des temperierten Mittelpavillons stand eine chinesische Schirmpalme (Livistona chinensis). Bei 12–15 °C im Winter und 25 °C im Sommer waren hier neben zahlreichen Palmen auch Cycadeen und tropische Baumfarne zu sehen. Im tropischen Warmhaus mit 16–18 °C im Winter und bis zu 30 °C und 90 % Luftfeuchtigkeit im Sommer waren die von Hofgartendirektor Heinrich Wilhelm Schott aufgebaute Sammlung tropischer Aronstabgewächse sowie tropische Nutzpflanzen zu bewundern. Diese Einteilung der Klima- und Vegetationszonen ist bis heute erhalten.

Die Reaktion der Öffentlichkeit

Über das Palmenhaus wurde in zahlreichen Zeitungen berichtet. Nicht alle waren jedoch so enthusiastisch wie der anonyme Autor, der 1884 das Palmenhaus in der Neuen Freien Presse als „Riesenkrone mit schön geschwungenen Linien“ bezeichnete. Das Interesse des Publikums war groß und die zahlreichen Besucher behinderten die gärtnerischen Tätigkeiten, so dass im April 1884 die Öffnungszeiten auf montags und donnerstags von 14 bis 17 Uhr beschränkt wurden. Bis zum Ende der Monarchie änderte man Öffnungszeiten immer wieder entsprechend den erforderlichen Pflegearbeiten. Neben der Dauerbepflanzung waren regelmäßige Wechselausstellungen mit besonderen Blütenpflanzen zu sehen, die in den Glashäusern des Reservegartens vorgezogen und dann im Palmenhaus präsentiert wurden.

Zeiten der Not

Den 1. Weltkrieg überlebten das Palmenhaus und seine Pflanzen trotz knappem Heizmaterial weitestgehend unbeschadet. Die regelmäßigen Ausstellungen im Palmenhaus wurden auch in der Ersten Republik weiter organisiert und der hohe Aufwand für die Erhaltung des Gebäudes weiter betrieben.

Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Österreich im März 1938 und dem Anschluss der Republik Österreich an das Deutsche Reich wurden die Österreichischen Bundesgärten von der Preußischen Schlösser- und Gärtenverwaltung in Potsdam verwaltet. Die neuen Machthaber hatten den hohen Identifikationswert des Palmenhauses erkannt und nutzten es für die NS-Propaganda. Es fanden ab 1940 regelmäßig Veranstaltungen der Winterhilfssammlungen für die Wehrmacht statt und in den Feuilletons wurde mit „tropischem Naturerlebnis“, „Blütenwunder“, „Kurort Palmenhaus“, „Frühlingstraum“ und dem „Reich der vieltausend Blüten“ eine heile Welt im Krieg vorgegaukelt. Am 19. Februar 1945 wurden schließlich durch amerikanische Flugzeuge Bomben auf den Schlosspark Schönbrunn abgeworfen. Das Palmenhaus wurde nicht direkt getroffen, die Druckwellen der Detonationen im Umfeld zerstörten jedoch die Verglasung fast vollständig. Soweit möglich retteten die Bediensteten die Pflanzen vor der Kälte und brachten sie in das Orangeriegebäude. Trotz dieses Engagements erfroren viele Pflanzen.

Wiederaufbau

Das Schönbrunner Palmenhaus war mittlerweile zu einem Wahrzeichen geworden, so dass ein Wiederaufbau des Gebäudes nach Kriegsende selbstverständlich war. Zunächst musste die Eisenkonstruktion repariert werden. Größtes Problem war die Beschaffung von 12.000 m² Glasscheiben und fünf Eisenbahnwaggonladungen Fensterkitt, so dass die Arbeiten erst 1952 abgeschlossen werden konnten und das Palmenhaus im Jänner 1953 feierlich mit einem zweitägigen Festakt wiedereröffnet wurde. Die Sanierung war aufgrund des allgemeinen Materialmangels teilweise nur notdürftig erfolgt und bekannte Korrosionsschäden nicht behandelt worden. Starker Rostbefall und mangelnde Wartung an den konstruktiven Teilen beeinträchtigten in der Folge die Statik des Gebäudes zunehmend. Nach dem Einsturz der Reichsbrücke in Wien 1976 bestand das Palmenhaus die im selben Jahr durchgeführte statische Prüfung nicht und wurde daher für den Besucherverkehr geschlossen.

Erneute Sanierungen

Die umfassende Sanierung erfolgte schließlich ab 1986 nach fast zehnjähriger fachlicher, technischer und budgetärer Diskussion und Planung. Die komplette Verglasung wurde entfernt, die Eisenkonstruktion entrostet, stark befallene Eisenteile ersetzt und einige neue Träger und Verstärkungselemente eingezogen. Man entschied sich, die vorhandene Doppelverglasung durch moderne Mehrscheibenisoliergläser im originalen Scheibenformat als Spezialanfertigung zu ersetzen. In Anlehnung an die alte wurden Glasscheiben mit gebogenen Alusprossen schindelartig verlegt. Auch wenn sich die neue Sicherheitsverglasung an die alte anlehnt, ist der originale Eindruck der Doppelverglasung als wichtiges Element dieses Baukörpers verloren gegangen. An der Westseite des Mittelpavillons wurde ein Einbau für Kassa und Sanitäranlage errichtet. Die ursprünglich rechteckigen Beete wurden nun durch eine landschaftliche Gestaltung ersetzt. 1990 wurde das Palmenhaus abermals mit einer großen Feier für das Publikum wiedereröffnet.

In den Jahren 2011 bis 2014 erfolgte erneut eine abschnittweise Sanierung und Überarbeitung der Konstruktion und Klimasteuerungstechnik des Palmenhauses, zum Großteil bei laufendem Betrieb.

In der Tradition der Hofgärtner

Seit nunmehr 140 Jahren wird bis heute das Palmenhaus nach der ursprünglichen Intention des Kaiserhauses und in der Tradition der Hofgärtner als repräsentatives Pflanzenschauhaus erhalten und weitergeführt. Tagtäglich können hier weit über 5.000 tropische und subtropische Pflanzen, wie die Seychellennusspalme, eine Rarität im Warmhaus, die Wollemia, ein lebendes Fossil im Kalthaus, oder die 200 Jahre alte Dattelpalme im Mittelpavillon, bewundert werden. Während der über das gesamte Jahr verteilten Sonderausstellungen, wie der seit 1883 jährlich von Jänner bis März gezeigten Azaleen- und Kamelienschau, werden saisonal wechselnd besondere Pflanzen aus den öffentlich nicht zugänglichen Reservegärten präsentiert.

Claudia Gröschel